VII. Ein Freund in der Not

TAG VIERZEHN. Herbert Grönemeyer singt, dass man auf Freunde zählen kann. „Freunde in der Not“, weiß Helge Schneider, „Freunde brauchen von andern kein Brot“. Auch Matthias Reim und Pur schätzen Freundschaften und sogar Franz Beckenbauer ist klar, dass gute Freunde von niemandem getrennt werden können. Vom Kaiser zur Queen ist es auch nicht weit, deshalb nur kurz nebenbei: Laut Das neue Blatt hat auch sie einen Bandscheibenvorfall und leidet unter höllischer Schmerzen. Die Gute würde auch in diesen Laden prima hineinpassen! Doch zurück zu den guten Freunden. Bei aller Freundschaft kann man doch niemandem zumuten ins Bewegungsbad oder auf den Schlingentisch mitzukommen. Also muss ich mir wohl oder übel innerhalb der Kaserne Verbündete suchen. Na dann mal los!
Da wäre zunächst der immerskeptische Fußballfachmann, aber die Gespräche mit ihm könnten auf Dauer etwas uninspiriert werden. Frau Günther, mit der ich die Fahrgemeinschaft bilde? Nicht übel, aber etwas schreckhaft und humorlos. Nachdem sie ein zugegeben gewagtes Manöver der Taxifahrerin mit einem spitzen Schrei und Festklammern an ihrem Sitz kommentierte, begründete die miserable Taxifahrerin ihren Fahrstil: So würden wir wenigsten wach und munter bei der Reha erscheinen. Das fand Frau Günther im Gegensatz zu mir gar nicht lustig. Auch der Simulant Herr Tebel scheidet als potentieller Freund aus: Wenn er so vor mir läuft fällt auf, dass er seiner Krücke auf der falschen Seite benutzt, gar nicht auf der Seite seiner Beschwerden – meine Krankengymnastin bestätigt meine Annahme mit einem prustenden Lachen. Zudem ist er ja auch ein halbes Jahrhundert älter ich. Aus der Generation kommt auch die kleine osteuropäische Schildkröte, die nach eine Woche Abwesenheit zu meinem Entsetzen wieder aufgetaucht ist. So wie sie mich anstrahlt scheint sie mich wirklich vermisst zu haben. Ich grüße kurz und sachlich und gehe sehr bestimmt weiter zu meinem Stammplatz im Bewegungsbad. Auch sie wäre als dauerhafte Verbündete nicht zu ertragen. Vielleicht gegenüber: Herr Legros, der sich, aufgrund seiner 28 Jahre im Polizeidienst, nach eigenen Angaben die Reha mehr als verdient hat, absolviert seine Übungen synchron mit Frau Klaas. Sie wiederum ist unerträglich stolz, auf ihr Sportstudium, welches man ihr nicht jedoch ansieht, noch ein duales Studium im Betrieb ihrer Eltern zu satteln. Wie die beiden im Gleichschritt durch das Becken waten wirkt schon recht vertraut, deshalb verwundert es auch nicht, dass Manfred und Denise sich duzen. Ich halte mich da lieber vornehm heraus!
Übrig bleibt also nur noch der etwas verplante Typ in meinem Alter (!), der seine Übungen für sich, sehr konzentriert und ohne Plauderei mit anderen macht – sehr sympathisch. Irgendwann kommt er auf seinem imaginären Fahrrad vorbeigefahren und wir müssen uns gegenseitig auslachen, wie wir beide mit angestrengten Gesichtern und Schwimmhilfen gegen das Untergehen ankämpfen – in einem 1,3 Meter tiefen Becken! Er hat sich beim Fußballspielen „Kreuzband geholt“, und so ist das erste Thema vorgegeben: Ich kläre ihn über die Großartigkeit des ruhmreichen SV Werder auf. Danach werden die verschiedenen Torturen der Reha diskutiert, das sorgt für so viel Erheiterung, dass der Pfleger vom Beckenrand anbietet zu unserem Sit-In noch ein paar Cocktails zu reichen. Ist er beleidigt, dass hier ausnahmsweise mal eine Party ohne ihn stattfindet? „Der Kreuzbandriss“, so kennt man sich hier, wiederum berichtet von höllischen Qualen bei der Krankengymnastik, so dass er schon darum gebeten hat in einer Einzelzelle behandelt zu werden, um die anderen Patienten von seinen schmerzerfüllten Schreien zu verschonen. Ich halte das für die übliche Übertreibung bei Gesprächen der Patienten untereinander, werde aber eines besseren belehrt. Während ich mich bei der Krankengymnastik bequem massieren lasse, werde ich Zeuge eines äußerst unterhaltsamen Hörspiels: Hinter der Stellwand, die meine Liege von der anderen trennt, hört man die Krankengymnastin in trockenem Befehlston „Weiter strecken, das ist noch gar nichts!“ und als Antwort unterdrückte Schreie und schmerzvolle Seufzer. Die Anweisungen der Pflegerin variieren nur minimal „Los jetzt, noch 20 Grad mehr im Knie“ oder „Stell dich nicht so an“ und lassen mich breit grinsen. Das wird aber sofort bestraft, denn die Folterung nebenan scheinen die Hände auf meinem Rücken auf falsche Gedanken zu bringen. Plötzlich ist der betroffene Nerv gefunden, fest gedrückt und ich gehe fast an die Decke vor Schmerz. Ich versuche gerade noch keine animalischen Schmerzlaute von mir zu geben, da werde ich mit folgendem Kommentar entgültig zur Strecke gebracht: „Wollen wir doch mal sehen, was wir aus dir so herausholen!“ Na prima, wie sagt man unter Freunden noch, „geteiltes Leid ist halbes Leid“. Noch einen Tag. Und zehn Tage Verlängerung.

2 Kommentare:

LEEOR. hat gesagt…

Humpel, Du suchst Partner? Ich komme sofort. Schlingentisch und Gummisaugnäpfe kenne ich noch von früher.

Bekommst Du Rabatte? So wie im Fitness-Center, wenn Du jemanden wirbst, oder muss ich mit der Kasse sprechen?


LEEOR.

LEEOR. hat gesagt…

Schnarchnase?!